Schirrmacher Stirbt In Roman
Frank Schirrmacher ist ein bedeutender Mensch: Publizist von pessimistisch-konservativer Grundstruktur, Gesellschaftsdeuter mit der Nase im Wind, Chefjournalist fr das von ihm tief bis ins Politische, Soziologische, Technologische ausgeleuchtete Kulturleben, einer von fnf Herausgebern der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) in der Nachfolge des unvergessenen Joachim Fest. Nun, so raunt es in den deutschen Feuilletons, sei Schirrmacher umgebracht, ach was: mit der Schaufel erschlagen worden an dsterem Ort, in den Wldern Sdschwedens. Wir wissen aus Krimis, dass deren Idylle oft den naturgrnen Vorhang bilden, hinter dem sich menschliche Abgrnde auftun.
Dem Lokalreporter Ronny Gustafson steht das Entsetzen ins Gesicht geschrieben, denn er hat soeben von einem deutschen Parade-Intellektuellen nicht viel mehr vorgefunden als das: von Aasfressern abgenagte Beine, Hautfetzen, verstreute Knochenstcke, Knorpelteilchen, Kleiderstoff, Schuhwerk. Die Leiche lag wohl schon seit lngerem dort, wo sie Gustafson in ziemlich aufgelstem Zustand entdeckt hat.
Handelt es sich wirklich um d e n Frank Schirrmacher? Richard Kmmerlings meint, das sei so. Richard Kmmerlings hat gestern mit einem gewaltigen Aufschlag in der Zeitung "Die Welt" ein Gercht verbreitet, einen Sturm ausgelst, der mehr sein knnte als ein solcher im Wasserglas. Es ist gelungene Spekulation, die Kmmerlings in die Welt setzt. Bei dem Toten im Schweden-Wald drfte es sich um den "Journalisten des Jahres 2004", den "Kulturjournalisten des Jahres 2010", um den Bestsellerautoren ("Das Methusalem-Komplott", "Minimum") handeln, den Zeitungsmann, dem ein paar Scoops gelangen (z.B. Gnter Grass' Outing als Waffen-SS-Jngling, Abdruck des kompletten menschlichen Genoms).
Nun kommen Gerchte ber das Ableben noch lebender Personen vor. Die Kunde vom Tode des Frankfurt/Berliner Grointellektuellen hat keinen realen Hintergrund. Den Freunden Schirrmachers, ob bei der FAZ, beim Goethe-Institut, bei Millionen von Lesern sei kundgetan: Der Mann lebt, ist nicht wirklich gemeuchelt worden, sondern blo in dem Kriminalroman "Der Sturm". Der kommt in der nchsten Woche in den Handel. An seiner Vorab-Publizitt wird der S. Fischer Verlag seine helle Freude haben. Schirrmacher wohl weniger. Ihm, dem Toten aus "Der Sturm" (er heit dort Christian Meier) wurde nicht nur von einem rachschtigen Finsterling aus der globalaktiven Finanzbranche der Schdel eingeschlagen, "Der Sturm" zertrmmert, besser: fegt noch Anderes hinweg: Schirrmachers/Meiers bislang tadellosen brgerlich-konservativen Ruf. Zwar deuten die teuren, selbstverstndlich handgenhten, auf Rahmen gefertigten Schuhe, die Fetzen einstmals edler Kleidung darauf hin, dass sich hier ein Mann zum Herrn stilisiert haben muss, aber, so lsst uns der Autor Per Johanson wissen: Der Herr Chefredakteur de luxe ging in den Puff, war hinter jungen Dingern her, konnte als Vorgesetzter ein echtes Ekel sein, an einem Tag Freund, am Tag darauf Qulgeist. Vielleicht nicht im Feuilleton, aber im Sport nennt man so jemanden Stinkstiefel.
Wer knnte so etwas Meier/Schirrmacher antun, wer mag ihm den feinen Zwirn zerrreien wollen, wer wird ihn so hassen, dass er ihn im Roman um die Ecke bringen lsst? Dies vorweg: Per Johanson ist es nicht, der ist eine Erfindung des S. Fischer Verlages. Ein Verlagssprecher sagte gestern, ein Autoren-Duo habe das Buch verfasst; Autoren htten das Recht, unter Pseudonym zu schreiben. Allerdings, so der Sprecher selbstkritisch, sei man bei der Marketing-Inszenierung diesmal wohl etwas zu weit gegangen, denn ber den nicht existenten Per Johanson werden zu Werbezwecken gar biografische Angaben verffentlicht. berschieender Einfallsreichtum beim Verschleiern des/der wahren Autoren.
Wer hat's denn nun wirklich geschrieben, wer ist fr den "Sturm" verantwortlich? "Welt"-Mann Kmmerlings zhlt nicht nur plausibel Indizien dafr auf, dass der erschlagene Christian Meier Frank Schirrmacher ist; auch dafr, dass es sich bei dessen literarischem Meuchler um "den alten Schweden" Thomas Steinfeld, den Feuilleton-Chef der "Sddeutschen Zeitung" handelt, gibt es Anzeichen von einiger Gerichtsfestigkeit.
Schirrmacher-Steinfeld bei dieser Paarung schnalzen Kenner der deutschen Kulturszene mit der Zunge. Das verspricht ein veritabler Leckerbissen zu werden, eine Schlachtplatte, angerichtet und vergiftet von Steinfeld, und Schirrmacher (aus Steinfelds Sicht) ist endlich einmal sein Opfer. Steinfeld, so wird berichtet, muss als Redakteur im Feuilleton der FAZ unter Herrschaft und Launen des begnadeten, manchmal irrlichternden Schirrmacher gelitten haben. Im Krimi wird dieser so skizziert: ein big shot, kein einfacher Journalist, bisschen verrckt, ziemlich erfolgreich, Chef einer Zeitung, die in ganz Deutschland gelesen wird.
2001 flchtete Steinfeld unter Rauschen im Bltterwald von Schirrmacher zur "Sddeutschen". Nach dem alten Motto, wonach man Rache kalt genieen soll, hat Steinfeld also vermutlich ein Jahrzehnt verstreichen lassen, um seinen ehemaligen Vorgesetzten wenigstens in Romanform psychisch zu erledigen und (siehe Bordell-Besuche und Chat-Frivolitten) vom Sockel zu holen. Von dem aus schaut Schirrmacher, der bereits in jungen Herausgeber-Jahren Zge eines Grandseigneurs ohne eisgraues Haar besa, ber Deutschland, die Literatur und den Homo sapiens auf dessen Wegen und Irrwegen.
Zum Buch, einem publizistischem Indizienprozess, meinte Schirrmacher: "Ich lese keine schwedischen Kriminalromane."